Einkaufszentren sind modern, beliebt und chic
Die Frage ist nur, warum verzichten die Betreiber auf eine ganze Käuferschicht und was passiert im Notfall?
In den vergangenen 10 Jahren, von 2005 bis 2015, ist die Anzahl der in Deutschland ansässigen Einkaufszentren (shopping mall’s) von 363 auf 463 gestiegen. Wie es aussieht scheint das Konzept zu funktionieren – allerdings, der Wettbewerb wird nicht nur untereinander, sondern auch zu den Einkaufsmailen der Städte immer größer. Umso unverständlicher ist es, dass heute noch immer so wenig für Menschen mit einem Handikap getan wird und man auf eine komplette Käuferschicht verzichtet. Es ist schon richtig, der Begriff „Barrierefreiheit“ ist heute Standard und in der Regel so weit wie möglich umgesetzt. Das heißt, Menschen mit einer motor-ischen Störung, Rollstuhlfahrer und Rollatorschieber, kommen relativ gut in die Zentren rein und wieder raus. Nur Menschen, die Orientierungssicherheit benötigen, wie beispielsweise Kunden mit einer Sehbehinderung oder Blindheit bleiben besser draußen, denn für sie wird es eher ein Abenteuerlauf.
Schauen wir uns einmal ein solches Einkaufszentrum an. Da ich in Dortmund lebe, bin ich als Mensch mit einer Sehbehinderung durch die THIER-Galerie gegangen. Dies ist natürlich nur ein Beispiel. Ich war auch in Oberhausen, Berlin, Köln, Koblenz, München usw. Die Zentren sind ja konzeptionell alle nach demselben Schema aufgebaut.
TreppeAlso, die THIER-Galerie in Dortmund gehörte zu den Zentren mittlerer Größe, wird von dem Hamburger Projektmanagement ECE betrieben und schließt sich direkt an die Fußgängerzone im Herzen der Westfalen-Metropole an.
Das Einkaufszentrum wurde am 15.09.2011 eröffnet, hat 160 Läden auf einer Verkaufsfläche von 33.000 qm.
Die Zugänge sind zwar nicht von allen Seiten ebenerdig erreichbar, aber – einmal um die Ecke gefahren, kommt man gut mit einem Rollstuhl in das Zentrum.
Schauen wir uns aber einmal an, wie es ist, wenn man beispielsweise sehbehindert oder blind ist, dann sieht das Einkaufsvergnügen schon etwas anders aus.
Ich bin erst einmal von dem westlichen Seiteneingang hereingegangen. Vor dem Treppenabgang befindet sich eine Orientierungstafel mit den ganzen Geschäften im Zentrum. Dies brauche ich mir gar nicht erst anschauen, denn lesen kann ich hier nichts und mit den wunderschönen bunten Bildchen der einzelnen Etagen kann ich – ohne fremde Hilfe – auch nichts anfangen.
EinkaufszentrumAlso kann ich nur ein Geschäft nach dem anderen abgehen in der Hoffnung, den richtigen Laden für mich zu finden.
Die Handläufe sind nicht verlängert und hervorgehoben, um den Anfang und das Ende erkennbar zu machen, und auch die Treppenstufen sind nicht markiert. Demnach taste ich mich mit dem Fuß langsam nach vorne.
Unten angekommen weiß ich nicht, gehe ich jetzt nach rechts und komme wieder zum nächsten Ausgang, beginnt dort die Ladenzeile oder umgekehrt?
Innen angekommen ist natürlich alles wunderbar verglast – ein Horror für Menschen mit Orientierungsschwierigkeiten. Im gesamten Gebäude gibt es keine Markierungen und Leitsysteme für Menschen mit einer Sehbehinderung oder Blindheit.
Besonders schwierig wird es, wenn man die Rolltreppen benutzt. Die eine Rolltreppe führt nach unten – man kann sich diesen Punkt aber nicht merken, weil die nächste Rolltreppe, die wieder nach oben führt, nicht direkt daneben ist, sondern erst wieder um eine andere Ecke zu finden ist.
Nun braucht man mir nicht zu erklären, warum das alles so ist. Hier steckt ein ausgeklügeltes Marketingkonzept dahinter. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Im Gegenteil, ich selber gehe sehr gerne dort einkaufen und bin sehr oft dort. Von daher möchte ich das Zentrum auch gar nicht kritisieren, obwohl es noch ganz viele Punkte gibt, über die man (ich) reden könnte.
Ich frage mich nur
- warum man auf eine ganze Käuferschicht verzichtet, weil Menschen mit einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder anderen sensorischen Störungen hier nicht willkommen sind und
- was passiert eigentlich im Notfall, wenn sich wirklich einmal ein Mensch mit sensorischen Störung hier her verirrt und es passiert etwas?
Im Notfall findet so ein Mensch (Kunde) selbständig und vor allem schnell bzw. zügig nicht mehr alleine raus.